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Das Geheimnis glücklicher Schüler*innen

Aktualisiert: 10. Dez. 2022





Kennen Sie das auch – bevor Ihr Kind in die Schule kommt, freut es sich unglaublich darauf, nach dem ersten Schuljahr ist jedoch die Luft raus und die „Ich hab‘ keinen Bock auf Schule“-Einstellung hat sich eingeschlichen? Wie gibt’s denn so etwas? Und was ist das Geheimnis, um die Lernfreude zu erhalten?

Kinder brauchen Vertrauen, gute Beziehungen zur Lehrperson und Bewegung

Zu oft habe ich von Kindern schon Sätze gehört, wie: „Ich durfte heute nicht mit in die Gartenpause gehen, da ich mit der Aufgabe nicht fertig war!“ oder „Ich musste im Pausenhof die ganze Zeit still neben der Lehrerin am Zaun stehen, weil ich mit meinem Freund gestritten habe.“

Um sich auf das Lernen konzentrieren zu können, brauchen Kinder Menschen, die ihnen Sicherheit bieten und bei der Lösung ihrer Probleme behilflich sind. Sie brauchen Menschen, die ihnen ein gutes Vorbild sind, die ihnen vorleben, wie man sich verhält, und nicht belehren und strafen. Bezugspersonen, die dem Kind wichtig sind und von denen es Zuwendung erfährt, können vermitteln, wie spannend Lernen und Wissen ist und dass Neues lernen Spaß macht. Die motorische Entwicklung gelangt in der Volksschulphase auf einen Höhepunkt. Bewegung ist aber nicht nur ein Primärbedürfnis, sondern trainiert zugleich die Wahrnehmungsfähigkeit und erleichtert das Lernen geistiger Inhalte. Bewegung ist also auch außerhalb des Turnunterrichts notwendig und darf nicht als Strafe entzogen werden.

Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen auf Augenhöhe begegnen

Jede Art von Verunsicherung, von Angst und Druck erzeugt im Gehirn eine sich ausbreitende Unruhe und Erregung. Unter diesen Bedingungen können neue Wahrnehmungen nicht mit bereits gespeicherten Informationen abgeglichen werden, es kann nichts Neues gelernt und verankert werden oder auch nichts bereits Gelerntes wieder abgerufen werden.

Es wird auf früh entwickelte Verhaltensweisen zurückgegriffen: Angriff, Verteidigung, Rückzug. Kinder fühlen sich beschämt und ohnmächtig und reagieren mit Wut, Zorn oder Resignation auf die erlebte Enttäuschung.

Wertschätzende Beziehungen, in denen Erwachsene bereit sind, mit Kindern gemeinsam die Welt zu entdecken und zu gestalten, fördern die Freude am Lernen. Jedes Kind hat eine besondere Begabung für etwas – es braucht Erwachsene, die ihm helfen herauszufinden, wo seine Begabungen liegen und die diese fördern.

Kinder brauchen Lehrpersonen, die sie in den Bereich der Selbststeuerung locken

Wenn die Schule bereits im ersten Schuljahr mit Enttäuschungen beginnt und dieser Lebensraum durch Abwertung und zu hohe oder zu niedrige Anforderungen ein Gefühl der Anspannung und Erschöpfung hervorruft mit dem Eindruck, nie allen Anforderungen gerecht zu werden, ist die Abneigung gegen Schule vorprogrammiert.


Wenn an alle Kinder dieselben Anforderungen zur gleichen Zeit gestellt werden, unabhängig davon, ob sie dazu bereit sind, macht das Kinder unglücklich.

Kinder, die mehr leisten könnten, werden unzufrieden und unruhig. Kinder, die überfordert werden, haben den Eindruck zu versagen und ihre Leistungsbereitschaft nimmt ab. Kinder, die demotiviert sind und keine Leistung mehr erbringen wollen, werden als faul, ablenkbar oder unruhig beschrieben – Lehrerinnen beklagen sich, den Kindern fehlten sogenannte Sekundärtugenden wie Fleiß und Ausdauer sowie eine gute Arbeitshaltung, was nicht stimmt. Aufgabe des Bildungswesens ist es, die Kinder dabei zu unterstützen, ihre individuellen Fähigkeiten zu entfalten und Leistungen von ihnen zu verlangen, die sie auch erbringen können. Wenn an alle Kinder dieselben Anforderungen zur gleichen Zeit gestellt werden, unabhängig davon, ob sie dazu bereit sind, macht das Kinder unglücklich.



Können Kinder sich aktiv und selbstbestimmt mit ihrer Umwelt auseinandersetzen, wird dadurch die Neugierde geweckt und bleibt am längsten erhalten. Gelingt es Lehrer, die Kinder neugierig zu machen, gewinnt man ihre Aufmerksamkeit. Sie hören besser zu, schauen genauer hin, lassen sich viel weniger ablenken und speichern Einzelheiten und Zusammenhänge besser. Kinder wollen lernen. Sie wollen aus sich heraus handeln, Dinge entdecken und herausfinden, wie das Leben funktioniert. Dann legen sie eine Beharrlichkeit an den Tag, über die wir Erwachsene nur staunen können. Kinder lernen mit Begeisterung und wollen ihre Kompetenzen entfalten, sie sind von Natur aus wissbegierig, neugierig und entdeckerfreudig. Gelingt ihnen etwas Neues, sind sie überwältigt. Begeisterung entsteht nur, wenn etwas wichtig ist für die Kinder.

Kinder wollen lernen.

Deshalb lernen sie besonders das gut, was Begeisterung auslöst. Dann sind sie auch enorm beharrlich und lernen, weil sie etwas erreichen wollen, nicht, weil es ihnen anerzogen wird. Kinder sind Weltmeister im Lernen, aber nur dann, wenn sie es selbstbestimmt tun dürfen. Es geht darum, Lernfreude zu schaffen, indem man den Kindern Kompetenz- und Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht, mit differenzierten Lernstrategien, die Räume öffnen fürs Erkunden, Experimentieren, Staunen, Entdecken, Fragen, Sammeln, Ordnen, Planen, Dokumentieren und Präsentieren. Sie wollen ernst genommen werden, zeigen, dass sie etwas können und dass sie bereit sind, sich an Verbindlichkeiten zu halten.

Kinder brauchen Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit

Wenn Lehrer hauptsächlich das Ergebnis einer Leistung beurteilen und nicht den Lösungsprozess, sind Schüler eher misserfolgsorientiert, halten sich für weniger begabt und haben ein schlechteres Bild von sich, auch noch Jahre danach.


Bestärken Lehrer jedoch erfolgreiche Arbeitsprozesse und praktizieren einen auf die Kinder abgestimmten Unterricht, indem sie den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben den Kindern anpassen und wenn nötig Lösungshilfen geben, sind auch die Schüler erfolgsorientierter. Selbstwirksamkeit kann sich dann entfalten, wenn ein Kind in der Schule Leistungen erbringen darf, die es bewältigen kann. Kinder müssen lernen können, ihre Schwächen zu akzeptieren und möglichst gut damit umzugehen. Ebenso gehören die Stärken und Kompetenzen entdeckt und gefördert.

Kinder brauchen Selbst-Kontrolle

Die Gewissheit, die Kontrolle über die eigene Leistungsfähigkeit bei sich selbst zu finden, ist wichtig für die schulischen Leistungen der Kinder. Je mehr man von der eigenen Kontrolle überzeugt ist, umso stärker engagiert man sich in der Schule und erhöht damit seine Schulleistungen. Ein wichtiger Einflussfaktor auf die eigenen Kontrollüberzeugungen sind die Interaktionen mit den Lehrern. Warmherzigkeit und Unterstützung wirken sich positiv aus, während wenig unterstützende und ablehnende Lehrer die Kontrollüberzeugung und damit auch die Leistung der Kinder verringern.



Kinder brauchen eine Schule, die sie stark macht

Kinder brauchen Unterstützung im aktiven Umgang mit Krisen und Problemen, indem sie positive Rückmeldungen erhalten. Dadurch lernen Kinder, auf eigene Fähigkeiten zu bauen. Um Neues zu wagen, brauchen Kinder Sicherheit, Unterstützung und Erwachsene, die ihnen die nächsten Schritte zutrauen und einfordern, ihnen Mut machen und sie bei Misserfolg nicht bloßstellen. Bevor Kinder sich dem Risiko, „Neues“ zu erlernen, aussetzen, testen sie, ob sie bei den Lehrpersonen Halt, Unterstützung und Anerkennung finden. Erscheint das Schulnetz sicher, ist Erfolg möglich.

Kinder brauchen freie Zeit

Im freien, ungeplanten Spiel können sie lernen, Impulse zu kontrollieren, Frust zu ertragen, Handlungen zu planen, die Folgen des eigenen Tuns abzuschätzen, sich in andere hineinzufühlen, Verantwortung zu übernehmen, Konflikte zu lösen, die Aufmerksamkeit auf eine Sache zu lenken und immer neue Herausforderungen zu meistern.



Wir brauchen in Zukunft Kinder

… mit Eigensinn und Querdenkertum, die offen sind für neue Lösungen, die improvisieren können und Informationen immer wieder neu miteinander kombinieren, keine perfekt angepassten Pflichterfüller. Soziale Kompetenzen, wie sich einfühlen können, Bedürfnisse erkennen und gemeinsam Lösungen finden, sind wichtiger denn je. Dafür müssen ihre kleinen Seelen aber auch mit der richtigen, gesunden und wertschätzenden Nahrung gefüttert werden, um dies zu ermöglichen.

Wir brauchen Kinder mit Eigensinn und keine Pflichterfüller.

Jedes Kind möchte sich im Leben zurechtfinden, möchte gemocht und geliebt werden, möchte glücklich sein und so gesehen werden, wie es ist, nicht so wie es sein sollte. Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen und möchte mit all diesen angenommen werden. Kinder, die dies erfahren, werden offene Menschen, die sich ihre Entdeckerfreude und Gestaltungslust bewahren, die ihre Potenziale entfalten und lieben können, weil sie um ihrer selbst willen geliebt wurden.

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